05. November 2023
Johanna Leitz mit Anna Zassimova bei „Klassik in Handschuhsheim“: Beethoven und Rachmaninow
150 Jahre wäre er dieses Jahr geworden. Bekannt vor allem für sein Klavierwerk, wobei „Klassik in Handschuhsheim“ bewies, dass Sergej Rachmaninow definitiv noch mehr konnte. In seiner selten aufgeführten Cello-Sonate g‑moll eröffnet er diesem Instrument die volle Bühne, all seine Möglichkeiten eindrucksvoll auszuleben. Los ging es trotzdem mit Klavier solo und der Prelude Nr. 2 cis-Moll: Anna Zassimova entführte mit op. 3 sofort in verwunschene Abgründe, wo sich ein gewaltiger Klangrausch zusammenbraute. Mit reichlich Pedaleinsatz und kraftvollem Anschlag breitete sich hier maximales Rachmaninow-Feeling im brechend vollen Gemeindesaal der Friedenskirche aus.
Deutlich aufhellender gestaltete die Dozentin der Karlsruher Musikhochschule ihren Anschlag in Beethovens Cello-Sonate A‑Dur, was ein reizvolles Wechselspiel mit Johanna Leitz ergab, die ihrem Cello eine herrlich schaurige Sonorität entlockte. Hinzu kam eine wohlige Wärme, mit der sie die Melodien geschmeidig über verschiedene Lagen laufen ließ. Bei fantastischem Volumen konnte die Studentin der Karlsruher Musikhochschule zwar auch energischer zugreifen, legte ihre Schwerpunkt aber auf die emotionale und verletzliche Seite von op. 69. Daneben verriet ihr Spiel, wie weit Beethoven bereits Richtung Romantik blickt, da Leitz gekonnt Motive in unbeschwerter Klassik im Mozart-Stil beginnen ließ, um sie alsbald in eine dramatische Zukunft entschwinden zu lassen. Das war hohe Kunst einer vielversprechenden Nachwuchscellistin, die seit diesem Jahr Mitglied der Jungen Deutschen Philharmonie und Akademistin der Philharmonie Koblenz ist.
Derart überzeugend gelang dies auch dank der famosen Eintracht mit dem Klavier, das als ebenbürtiger Dialogpartner jeden Interpretationsgang mitgestaltete. Nicht anders sah das bei Rachmaninows Cello-Sonate aus, von der sich die beiden zunächst versonnen und eigenwillig treiben ließen. Gerade für Rachmaninows tief brodelnde Leidenschaft war Leitzs beherztes Volumen mit leidvoller Note wie geschaffen. Im inbrünstigen Einklang steigerten sich die beiden in ekstatische Gefühlsausbrüche hinein, deren beißende Intensität Sogwirkung für alle hatte. Die zwei hatten sich schließlich mit jeder Faser in den Kosmos Rachmaninow eingenistet, um dessen Musik mit größter Authentizität nach außen zu tragen. Ein brutaler Blick in die Gegenwart erfolgte mit der Zugabe: Casals „Gesang der Vögel“, die den Frieden besingen: sehnsuchtsvoll und verletzlich.
Von Simon Scherer