Streicher-Tragik im Sonnenschein
Brechend voller Grahampark bei „Klassik in Handschuhsheim“ und der Jungen Kammerphilharmonie Rhein-Neckar
Von Simon Scherer
Jedes Werk ist im neuen Umfeld wieder anders zu erleben. Bei ihrem letzten Handschusheimer Besuch zog es die Junge Kammerphilharmonie Rhein-Neckar mit Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ nämlich in die Friedenskirche, die hierfür eine entsprechend ehrfürchtige Kulisse bot. Diesmal stand Dirigent Thomas Kalb im Allegro noch in der knallen Sonne, hinter ihm ein brechend voller Grahampark mit Kindergeschrei, Hundegebell, Hubschraubern und Kirchen, heute mit Glockengeläut omnipräsent. Mahlers Streichorchesterfassung von Schuberts 14. Quartett d‑Moll erklang also mitten im Leben, was die Todes-Thematik noch unmittelbarer und erschreckender wirken ließ; wie mitten aus dem Leben gerissen. Der frühere Heidelberger GMD hielt sich schließlich nicht zurück mit schonungslosem Bohren in schmerzhafte Tragik, wo unbarmherzige Geigenstriche und angstbesessene Streicherweisen extrem unter die Haut gingen. Kalb setzte harte Akzente mit streng senkrechter Ausrichtung, zog an anderer Stelle das Geschehen aber auch in die Breite, was einer ausgelassenen Spielmanier der jungen Musiker viel Freiraum ließ. Diese wussten trotz überschaubarer Besetzung nebst gruselig-düsteren Pianissimi ebenso klanggewaltige Feuer mit bedrohlich lodernden Geigen zu entfachen, worüber sie allerdings nicht immer die volle Kontrolle besaßen.
Da strahlten sie in Tschaikowskys „Souvenirs de Florence“ wesentlich mehr Sicherheit und Souveränität aus, wo sie einer klar durchdachten Interpretationslinie folgten, die in langen Entwicklungsgängen keine Facette von op. 70 ausließ. Die vielen Emotionen boten sie in angenehm temperierter Romantik dar und hielten ebenso die Transparenz hoch, die im stimmig abgerundeten Gesamtbild jederzeit gewahrt wurde. Zuletzt bot das auch der spielerischen Bandbreite dieses Ensembles die größte Bühne. Krönender Mittelpunkt war Albinonis Trompetenkonzert d‑Moll mit Clément Schuppert. Bei weichem und geschmeidigem Ton gestaltete er die Melodien hingegen keineswegs zu brav, sondern mischte gern eine frech- verwegene Note bei. Ein Traum waren seine himmlischen Phrasen im Adagio, einem Ohrwurm der zahlreichen Best-of-Adagio-CDs, der eigentlich immer ins Herz trifft. Allerdings meist mit Oboe zu hören, der Schuppert mit seinen aus dem Nichts aufkeimenden Tönen aber in nichts nachstand. Vom Solotrompeter der Heidelberger Philharmoniker hätte man sich gern noch mehr gewünscht, aber dieser musste noch zu den Schlossfestspielen. Weiter geht es bei „Klassik in Handschuhsheim“ dafür bereits am 16. Juli in der Gärtnerei Stockert mit dem Schubert-Oktett.