Voller Grahampark bei „Klassik in Handschuhsheim“ mit Cello-Oktett und Sopranistin Daniela Yurrita
Ensembles mit reiner Cello-Besetzung trifft man seit einigen Jahren häufiger an. In Open-Air-Konzerten allerdings selten, obwohl gerade die tiefe Sonorität dieser Instrumente durchaus Gehör in lauen Sommerlüftchen findet. Die Konzertreihe „Klassik in Handschuhsheim“ hatte für Carlos Gradels „Por una Cabeza“ allerdings noch mehr als dunkel grollende Bässe zu bieten: Das organisch einen Stimmpart an den anderen weitergebende Cello-Oktett offerierte nämlich auch Melodien hoher Sanglichkeit von bisweilen gar beißender Durchdringung.
Neben den Cellisten aus hiesigen und umliegenden Orchestern (Johann Aparicio-Bohórquez, Giulia Trevisiano, Gerard Yuzengidzhyan, Kevin Guerra, David Neuhaus, Sebastián Escobar, Johanna und Anne Leitz) gab es sogar eine regionale Komposition: die Uraufführung Eginhard Teichmanns Viersätzer „Concerto Palatino“, benannt nach umliegenden Städten. „Heidelberg“ hatte dort etwas von schwirrender Sommerhitze, zwischendrin ein luftiges Tänzchen, dann introvertiert nach innen blickende Momente, die melancholischen Gedanken nachhingen. Ein Werk, in dem sich lauter versteckte Örtchen verbargen. In „Ladenburg“ wähnte man sich in rührseliger Jahrmarktatmosphäre, kurz gestört von Augenblicken des Aufruhrs. Nach „Schwetzingen“ ging es in „Mannheim“ deutlicher hektischer zu, da eine Grundnervosität eigentlich immer präsent war. Durch die hohe Individualität der Interpreten wurden diese Eindrücke noch vertrackter.
Burt Bacharachs „South American Getaway“ bot dann ausreichend Gelegenheit zum Schwelgen, wo einzelne Stimmen verträumt süßliche Liebesbotschaften in den Himmel sendeten. Moderiert wurde das Ganze von Maja Bernhard, die neben netten Geschichtchen und Lachern gern auch ein paar Verse zitierte: Zum Beispiel vor Heitor Villa-Lobos „Bachianas Brasileiras No. 5“, zu der sich noch Sopranistin Daniela Yurrita hinzugesellte. Für ihren klangschönen Sopran mit gewählter Ausdruckweise und oft reflektierendem Ausdruck lieferten die Celli eine wunderbar malerische Hintergrundaura. Mit Yurritas famos langem Atem auf ausgereizten Decrescendi konnte nicht mal das ausdauerndste Vogelzwitschern mithalten. Genauso flexibel war die Sängerin nach der leidbetonten Vocalise für die wendigen Läufe des anschließenden Tanzes.
„Maria“ aus Bernsteins „West Side Story“ hat man wohl noch nie von einem Cello singen gehört, das sich als würdiger Vertreter tief in den Liebesschmerz eingefunden hatte, begleitet von einigen neuen Harmonien. In „Tonight“ trug Yurrita ihre von leidenschaftlicher Romantik geprägten Gefühle weit in die Baumkronen des Grahamparks empor, sodass man wieder diese einzigartige Synthese von Musik und Natur erlebte. Piazollas „Fuga y misterio“ bescherte nochmals der cellistischen Spielkunst einen Höhepunkt: frech, schnittig und reißerisch mit ordentlich Biss. Geriet man etwas aus dem Takt, ging es mit einem verschmitzten Lächeln einfach weiter. Eigentlich auf jede Besetzung gut zu übertragen sind Carmen-Medleys, hier von Teichmann, das nicht nur der Sopranistin mit Verführungskunst auf Fingerspitzenniveau einen Glanzauftritt bescherte. Für den Heimweg wehte eine Brise aus Gershwins „Summertimes“ und Glenn Millers „Moonlight serenade. Ein voller Erfolg.
von Simon Scherer
Rhein-Neckar-Zeitung vom 12.06.2019